Veranstaltung: | LDK Emden |
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Tagesordnungspunkt: | 11. Weitere Anträge |
Antragsteller*in: | LAG MIgration und Flucht (dort beschlossen am: 21.05.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 06.06.2021, 08:51 |
A4: Ein Landesantidiskriminierungsgesetz für Niedersachsen – Für eine Gesellschaft der Vielen
Antragstext
Menschen vor Diskriminierung zu schützen, ist eine der Kernaufgaben des
demokratischen Rechtsstaats. Ein Landesantidiskriminierungsgesetz fördert die
Präventionsmöglichkeiten von Diskriminierung durch Behörden in Niedersachsen und
ermöglicht sowie vereinfacht die Geltendmachung von Entschädigungs- und
Ersatzansprüchen gegen das Land Niedersachsen in Fällen von Diskriminierung.
Im Bereich des Antidiskriminierungsrechts bestehen trotz gesetzgeberischer
Tätigkeit in der Vergangenheit auf Bundes- und Landesebene immer noch
Schutzlücken, insbesondere im öffentlichen Bereich. Das
Antidiskriminierungsrecht bleibt damit auch hinter den europäischen Vorgaben
zurück. Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurden auf Bundesebene
vier EU-Richtlinien gegen Diskriminierung umgesetzt, wobei sich das AGG auf die
Erwerbstätigkeit und den Privatrechtsverkehr beschränkt. Das “Niedersächsische
Gleichberechtigungsgesetz” (NGG) beschränkt sich auf die Gleichberechtigung von
Männern und Frauen in der öffentlichen Verwaltung. sodass ein vergleichbarer
Diskriminierungsschutz und die Möglichkeit der Geltendmachung in Niedersachsen
bei öffentlich-rechtlichem Handeln, z.B. beim staatlichen Bildungswesen oder bei
den Sicherheitsbehörden, fehlt.
Deshalb fordern wir:
Daher fordern wir ein Landesantidiskriminierungsgesetz nach dem Vorbild des
Berliner LADG, dass ein umfängliches Diskriminierungsverbot im Rahmen
öffentlich-rechtlichen Handelns des Landes Niedersachsen und seiner Landkreise
und Kommunen vorsieht, einen verbesserten Zugang zu Instrumenten des
Diskriminierungsschutzes schafft sowie die Förderung einer Kultur der
Wertschätzung von Vielfalt als Leitprinzip verankert.
Essenzielle Bestandteile dieses Landesantidiskriminierungsgesetzes sollen sein:
- Schließung bestehender Rechtsschutzlücken
- Diskriminierung im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Handelns wird
verboten. Der Diskriminierungskatalog umfasst (mindestens):
- Geschlecht;
- ethnische Herkunft;
- rassistische Zuschreibung;
- Nationalität;
- Religion und Weltanschauung;
- Behinderung und/oder chronische Erkrankung;
- Lebensalter;
- sexuelle Identität;
- sozialer Status
- Elternschaft
- Familienstand
- Gewicht
- Möglichkeit der Verbandsklage und die Möglichkeit einer Prozessstandschaft
- Prozesse gegen erlebte Diskriminierung zu führen, ist für Privatpersonen
oft sehr aufwändig (nicht zuletzt auch finanziell), langwierig und
belastend. Mit dem LADG wird es anerkannten Antidiskriminierungsverbänden
möglich sein, mit Unterstützung der Betroffenen gegen Diskriminierung
durch staatliche Einrichtungen im Namen der Betroffenen zu klagen.
- Beweiserleichterung für Betroffene
- In den seltensten Fällen geschieht Diskriminierung eindeutig und
offensichtlich nachweisbar. So heißt es beispielsweise in einer Ablehnung
bei der Wohnungssuche meistens nur, die Wohnung sei anderweitig vergeben
worden. In Testing-Verfahren kann dann herausgearbeitet werden, dass die
Ablehnungen überwiegend an Personen gehen, deren Nachname aus Sicht der
Wohnungsgesellschaft eine internationale Geschichte nahelege. Betroffene
sollen daher die Tatsachsen der Diskriminierung glaubhaft darlegen, die
das Vorliegen eines Verstoßes gegen das LADG überwiegend wahrscheinlich
machen. Die Beweislast, dass keine Diskriminierung vorliegt, läge dann bei
der beklagten Institution. Bei einer solchen Beweiserleichterung handelt
es sich schlichtweg um die Umsetzung der EU-Antirassismus-Richtlinie.
- Einführung struktureller Diversity-Maßnahmen
- Durch Maßnahmen wie Nachteilsausgleiche, Schulungen in Behörden u.a. soll
Diversität gefördert und Menschen mit (Mehrfach-)
Diskriminierungserfahrungen der gleichberechtigte Zugang zu Institutionen
erleichtert werden. Für Vorgesetzte und Mitarbeiter*innen mit
Leitungsfunktion ist eine Fortbildungsverpflichtung vorgesehen. Die dafür
erforderliche Finanzierung muss im Landeshaushalt sichergestellt werden.
- Schadensersatz und Entschädigungszahlungen
- Für die erlittene Diskriminierung können Betroffene und solche die
mittelbar durch die Diskriminierung einen Schaden erleiden
verschuldensunabhängig Schadensersatz und Entschädigungszahlungen
erhalten. Das gilt auch für solche Nachteile, die nicht finanzieller Natur
sind. Bezüglich solcher Ansprüche gilt eine Beweiserleichterung zugunsten
der Betroffenen.
- Dezentrale Antidiskriminierungs-Beschwerdestellen
- Zur Unterstützung und Beratung Betroffener zur Durchsetzung ihrer Rechte
nach dem LADG sollen dezentral in Niedersachsen Antidiskriminierungs-
Beschwerdestellen eingerichtet werden und, die in Erfüllung ihrer Aufgabe
nicht weisungsgebunden ist. Beschwerdestellen sollten auch digital
erreichbar sind. Eine solche Stelle bedarf zur effektiven Unterstützung
der Betroffenen umfassende Rechte, wie z.B. das Recht zur Akteneinsicht,
die Möglichkeit Sachverständige hinzuzuziehen, das Einholen von Gutachten,
die Kompetenz, Stellungnahmen von Behörden abzufragen und die Befugnis,
nicht nur Handlungsempfehlungen auszusprechen, sondern auch die Umsetzung
zu überprüfen. Betroffene müssen, unabhängig von ihrem Wohnort in
Niedersachsen, einen niedrigschwelligen und wohnohrtnahen Zugang zu
Beschwerdestellen haben. Die Finanzierung der Beschwerdestellen muss
sichergestellt werden.
- ergänzendes Landesprogramm zur Förderung einer Kultur der Wertschätzung von
Vielfalt, z.B. durch verpflichtende Schulungen im Bereich Diversity zur Stärkung
der individuellen Handlungskompetenzen. Diversity-Kompetenzen sollen bei
Einstellung und Aufstieg berücksichtigt werden.
Mitarbeiter*innen und Behörden müssen in den Verwaltungen auf die Einführung
eines solchen Gesetzes vorbereitet und entsprechend geschult werden, die
entsprechenden Mittel müssen im Haushalt bereitgestellt werden.
- Diversity-Check
- Gesetzesentwürfe sind neben der Prüfung, welche Kosten durch das Gesetz
entstehen und inwieweit Gesetze Auswirkungen auf die Umwelt haben werden,
auch einem sog. Diverstiäts-Check zu unterziehen. Die Beseitigung
bestehender Nachteile durch Diskriminierung ist bei allen
gesetzgeberischen Maßnahmen zu beachten. Dieser Kontrollmechanismus soll
außerdem sicherstellen, dass gesetzgeberische Maßnahmen nicht unmittelbar
oder mittelbar diskriminieren.
Begründung
Begründung:
1) Jeder Mensch möchte fair und vorurteilsfrei behandelt werden. Dennoch ist Diskriminierung ein alltägliches Phänomen, dass– wenn zwar nicht alle – auf die eine oder andere Weise doch die allermeisten Menschen betrifft. Und nicht selten sind es staatliche Behörden und Akteur*innen, von denen Diskriminierung ausgeht. Das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) verbessert den Schutz vor Diskriminierung und fördert Diversität in der Verwaltung. Ziel des Gesetzes ist die tatsächliche Herstellung und Durchsetzung von Chancengleichheit, die Verhinderung und Beseitigung jeder Form von Diskriminierung sowie die Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt. Mit dem Beschluss des LADG gehen wir analog zum Land Berlin einen wichtigen Schritt, um diese Forderung zu erfüllen und damit auch der gesetzgeberischen Pflicht zur Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinien nachzukommen.
2) Das LADG schließt auf diese Weise eine bestehende Rechtslücke und baut den Diskriminierungsschutz in Niedersachsen aus. Mit dem „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ (AGG) hat der Bundesgesetzgeber vier EU-Richtlinien gegen Diskriminierung umgesetzt. Das AGG ist allerdings auf die Erwerbstätigkeit und den Privatrechtsverkehr beschränkt, sodass ein vergleichbarer Diskriminierungsschutz bei öffentlich-rechtlichem Handeln fehlt. Diese Regelungslücke schließt das LADG, um die Gleichbehandlung langfristig durchzusetzen. Der Geltungsbereich des LADG ist weit gefasst. Eine Beschränkung der Geltung des Gesetzes auf bestimmte Lebensbereiche, wie im AGG, erfolgt nicht, da auch die verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbote, deren Durchsetzung das Gesetz bezweckt, für die Gesamtheit des Handelns des Landes Niedersachsen und dessen Landkreise und Kommunen gelten. Es gilt auch für die landesunmittelbaren öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen. Darunter fallen beispielsweise die Hochschulen und Fachhochschulen.
3) Das LADG arbeitet mit einem Katalog von Diskriminierungsgründen, der sich in der Grundstruktur am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und an den in Art. 3 Abs. 3 VerfNDaufgezählten Merkmalen orientiert. Das LADG verbietet eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen oder antisemitischen Zuschreibung, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie einer chronischer Erkrankung, des Gewichts und des sozialen Status. Dem LADG liegt der Gedanke zugrunde, dass Diskriminierungen an gesellschaftlich wirkmächtige und historisch verfestigte Ungleichheitsstrukturen anknüpfen. Diese äußern sich in Stigmatisierungen, Benachteiligungen und Ausgrenzungen von gesellschaftlicher Teilhabe, die auf historisch, strukturell und diskursiv verfestigten Ungleichheiten beruhen.
4) Das LADG unterstützt von Diskriminierung Betroffene wirkungsvoll in ihren Rechten und hilft bei der Rechtsdurchsetzung, indem den Betroffenen erweiterte Rechtschutzmöglichkeiten und Beratungsangebote garantiert werden. Durch einen verschuldensunabhängigen Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch für Betroffene wird die Pflicht der Verwaltung, diskriminierungsfrei zu handeln, flankiert. Die Vermutungsregelung, die den Beweis zugunsten der Betroffenen erleichtert, senkt die Hemmschwelle zur Anzeige diskriminierender Handlungen und verstärkt die Möglichkeit zur Rechtsdurchsetzung. Darüber hinaus handelt es sich dabei um die Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben.
Anerkannte Antidiskriminierungsverbände können Betroffene bei der Durchsetzung ihrer Rechte prozessstandschaftlich unterstützen, das bedeutet, dass diese Verbände die Rechte der Betroffenen im eigenen Namen gelten machen können und Menschen, die diskriminierendes Verhalten erfahren haben, sich keinem belastenden Prozess aussetzen müssen. Auch erhalten anerkannte Antidiskriminierungsverbände ein Verbandsklagerecht, wenn Verwaltungsakte, Allgemeinverfügungen oder sonstiges Verwaltungshandeln nicht nur im Einzelfall gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Die vom LADG vorgesehene Ombudsstelle kann im Diskriminierungsfall von jeder Person angerufen und das Beratungsangebot in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus besteht mit dem LADG auch für solche Personen ein Schadensersatzanspruch, bei denen sich ein Schaden infolge einer Diskriminierung realisiert, obwohl diese nicht selbst diskriminiert wurden. Diese Regelung zur sogenannten „assoziierten Diskriminierung“ beruht auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus dem Jahr 2008 und greift immer dann, wenn die „merkmalstragende“ Person und diejenige Person, bei der aufgrund einer Ungleichbehandlung ein Schaden entstanden ist, in einem engen persönlichen Näheverhältnis zueinander stehen.
Unterstützer*innen:
-LAG Frauen
-LAG Queer
-LAG Demkratie und Recht
-LAG Soziales
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